Goethe in Münster

Goethe in Münster: Lektürestart in Münster | Foto: nw2018

Goethe in Münster: Lektürestart in Münster | Foto: nw2018

Karl Hagemann, „In diesem frommen sittlichen Kreise“ – Goethe in Münster, 2017, 124 Seiten.

Der Autor – Münsteraner, Journalist und Goethe-Verehrer – nimmt den Besuch Johann Wolfgang von Goethes Anfang Dezember 1792 in Münster zum Anlaß, um informativ und trotz des gelegentlichen Plaudertons sachlich über Goethe als Reisenden und über den Münsteraner Kreis, dem sein Besuch galt, zu schreiben.

Denn die in Münster lebende Fürstin Gallitzin hatte zusammen mit dem Generalvikar und Politiker Franz von Fürstenberg, dem niederländische Gelehrten Frans Hemsterhuis und dem Juraprofessor Anton Matthias Sprickmann im Jahr 1785 Goethe in Weimar besucht, wofür sich dieser nun auf der Rückreise von Frankreich, wohin er seinen Herzog zur „Campagne in Frankreich“ begleitet hatte, mit einem Gegenbesuch revanchierte.

Goethe sehnt sich nach einem Briefe von Ihnen. (S. 73)

Der Münsteraner Kreis, der sich um die gebildete und vielfältig interessierte Fürstin scharte, blieb nach dem Besuch in Weimar mit Goethe brieflich in Verbindung (sie selbst hingegen schrieb ihm nicht, da sie es nicht für lohnend und zu aufwendig hielt [S. 74]), die Wertschätzung war gleichwohl gegenseitig. In der katholischen Aufklärung am Ende des achtzehnten Jahrhunderts spielten die genannten und weitere Münsteraner Persönlichkeiten, denen sich das Buch liebevoll widmet, allesamt eine wichtige Rolle. Die Reform der Lehrerausbildung und des Schulunterrichts sind ebenso Themen wie die Gründung der Universität und Wohlfahrtsmaßnahmen.

Lesenswert sind in jedem Fall die Ausführungen über die Bedeutung der Religion im Kreis um die Fürstin, aber auch für diese selbst. Die versammelten Kleriker waren von tiefer katholischer Frömmigkeit und dennoch eigenständige Denker, so Hagemanns Urteil. Friedrich Leopold Graf von Stolberg konvertierte im Jahr 1800 gar in der fürstlichen Hauskapelle zum Katholizismus. Wie paßte nun Goethe, der es ja mit der Religion nicht so hatte, zu diesen Menschen? Einerseits war er offenbar aufgeschlossen genug, auch als Kulturprotestant, als welchen ihn der Autor einordnet, um sich auf tief katholische Gesprächspartner einzulassen. Andererseits hatte ihn seine „Italienische Reise“ mit dem ausgedehnten Romaufenthalt mit einem besonders lebendigen Katholizismus in Berührung gebracht, so daß er bei seinem Besuch in Münster besonders farbenprächtig erzählen und beinahe selbst für einen Katholiken gelten konnte. Die Gespräche werden als geistreich, rücksichtsvoll und fruchtbar charakterisiert.

Nach dem Besuch in Münster bleibt man weiter in Verbindung, nun korrespondiert auch die Fürstin mit Goethe. Dieser hatte leihweise die Gemmensammlung der Fürstin mit nach Weimar genommen, um sie intensiv zu studieren und später einen Aufsatz über sie zu schreiben. 1797 sandte er die Sammlung zurück; sie ist heute Teil des Königlichen Münzkabinetts in Den Haag.

Daß Goethe die Fürstin als Gesprächspartnerin geschätzt haben muß, belegt ein Brief aus dem Jahre 1802, in dem er sich eine weitere persönliche Begegnung wünscht. Er habe sich seit der letzten Begegnung weiterentwickelt, was sicherlich auch für sie gelte, wie fruchtbringend müsse da ein neuerlicher Gedankenaustausch sein (S. 100). Hierzu ist es nicht mehr gekommen.

Wagemann erwähnt fiktionale Hostorienbilder, auf denen der Maler Theobald von Oers in den 1860er Jahren Szenen von Goethes Besuch in Münster festhielt. Es schließen sich Ausführungen zu den (wenigen) heute noch sichtbaren Spuren des goetheschen Aufenthalts an.

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