Greg Grandin, Kissingers langer Schatten. Amerika umstrittenster Staatsmann und sein Erbe, 2015, dt. 2016 (übersetzt von Claudia Kotte und Thorsten Schmidt), 259 Seiten (plus 33 Seiten Apparat).

Foto: nw2017
Der Autor ist Professor für Geschichte an der New York University und hat bereits mehrere vielbeachtete Bücher publiziert. Für ihn ist Kissinger der zentrale Bösewicht der us-amerikanischen Nachkriegsgeschichte, ein skrupelloser Spengler-Adept und Wegbereiter von Militarismus und neu-rechtem Denken.
Es gibt eine Fülle von zeitgeschichtlichen Details, die zu Lektüren und Veröffentlichungen Kissingers in Beziehung gesetzt werden, wobei vor allem die voluminöse, nichtveröffentlichte Bachelorarbeit als permanenter Bezugspunkt dient – sowohl für Grandin als auch für Kissinger, der, so Grandin, das hier Aufbereitete später in seinen zahlreichen Büchern, aber auch in seiner Politik, nur variiert.
Kritisch zur Vorgehensweise Grandins schreibt Gregor Keuschnig auf Begleitschreiben, der die Lektüre gleichwohl empfiehlt, da das Thema zum Weiterdenken anregen sollte.
Politisch einseitige und anklagende Bücher bewirken beim Lesen ja häufig eine rasche Ermüdung, weil von Anfang an klar ist, worum es geht und trotzdem Seite an Seite gefügt und Anklage auf Anklage gehäuft wird. So ist es hier auch. Ich konnte das Buch nicht am Stück und für sich allein lesen, sondern war schon nach hundert Seiten erschöpft. Deshalb erstelle ich mir jetzt eine Liste mit anderen Texten über die Zeit Nixons und die amerikanische Außenpolitik, um einen größeren Lesegewinn zu ziehen. In diesem Panorama wird Grandins Buch seinen Platz finden.
Ach, Kissinger! In seiner Zeit als Außenminister mag er ja brilliant gewesen sein in seinen machtpolitischen Analysen – ich kann das nicht beurteilen. Aber wenn einer mit 80 und Jahrzehnte nach dem Ausscheiden aus der aktiven Politik zu allem und jedem eine Meinung hat, dann ist das auf die Dauer ermüdend und auch zunehmend unglaubwürdig. In den Medien ist er ja als Interviewpartner noch immer sehr gefragt. Kissinger zur Cybergefahr, zu Chinas Einfluss in Afrika, zur Ukraine-Krise… Wenn jemand jetzt eine in schwarz-weiß gehaltene Biographie schreibt, ist das allerdings auch nicht unbedingt überzeugend. Vor allem sollte es möglich sein, Politikinhalte nicht mit persönlichem Charakter desjenigen, der die Inhalte vertritt, zu vermengen. Das Buch kommt definitiv nicht auf die Leseliste!
Ja, das ist ähnlich wie zuletzt mit Helmut Schmidt. Kissinger Buch über den Wiener Kongreß finde ich jedenfalls sehr interessant.
Das glaube ich sofort! Die Quellenlage ist hervorragend und Kissingers politikwissenschaftlicher Ansatz kommt Metternichs Politikverständnis sehr nahe.
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