Vor einem Jahr habe ich mein Leseprojekt „Centennarium Erster Weltkrieg“ vorgestellt und im Beitrag auch gewissenhaft Neuzugänge und Lesefortschritte vermerkt. Hier und heute möchte ich eine erste Zwischenbilanz ziehen. Da der Krieg selbst lange dauerte, besteht auch keine Eile beim Lesen, finde ich.
Vor dem Hintergrund früherer Leseerfahrungen, die die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg aus einer kulturellen und gesellschaftlichen Perspektive betrachtet und Verbindungslinien in Vergangenheit und Gegenwart erkannt haben, habe ich einiges neu angeschafft und auch aus dem Bestand hervorgeholt.
Zunächst die Darstellungen des Krieges selbst, die freilich keine militärhistorischen Darstellungen sind, sondern die politische Vorgeschichte, die gesellschaftlichen Verwerfungen der Kriegsjahre und zumindest partiell auch die umstürzlerischen Kriegsfolgen in den Blick nehmen:
- Ernst Piper, Nacht über Europa, Kulturgeschichte des Ersten Weltkriegs
- Herfried Münkler, Der Große Krieg, Die Welt 1914-1918
- Jörn Leonhard, Die Büchse der Pandora, Geschichte des Ersten Weltkriegs – O
- John Keegan, Der Erste Weltkrieg. Eine europäische Tragödie – O
- Christopher Clark, The Sleepwalkers, How Europe went to war in 1914 – L
- Cabanès/Dumenil (Hrsg.), Der Erste Weltkrieg, Eine europäische Katastrophe
- Antonia Meiners, Die Stunde der Frauen zwischen Monarchie, Weltkrieg und Wahlrecht. 1913-1919
- Fritz Fischer, Griff nach der Weltmacht, Die Kriegszielpolitik des kaiserlichen Deutschland 1914/1918 – L
Bücher, die sich in einem längeren Zeithorizont mit dem Thema befassen:
- Enzo Traverso, Im Bann der Gewalt, Der europäische Bürgerkrieg 1914-1945
- James Sheehan, Kontinent der Gewalt, Europas langer Weg zum Frieden
- Wolfgang Martynkewicz, Salon Deutschland, Geist und Macht 1900-1945 – Q
Aus zeitgenössischer Perspektive, im Falle Jüngers freilich vielfach geglättet und modifiziert:
- Karl Kraus, Die letzten Tage der Menschheit (hrsg. von Anton Holzer)
- Ernst Jünger, In Stahlgewittern, Historisch-kritische Ausgabe (hrsg. von Helmuth Kiesel) – O
Biographien, die immer mal ergänzend herangezogen wurden:
- Wolfram Pytha, Hindenburg. Herrschaft zwischen Hohenzollern und Hitler – Q
- Christian Graf von Krockow, Kaiser Wilhelm II. und seine Zeit – Q
- John C.G. Röhl, Kaiser, Hof und Staat. Wilhelm II. und die deutsche Politik – Q
Romanhafte Verarbeitung (zeitgenössisch und retrospektiv):
- Hermann Hesse, Damian
- Christoph Poschenrieder, Das Sandkorn
Wichtig:
- Niels Werber u.a. (Hrsg.), Erster Weltkrieg, Kulturwissenschaftliches Handbuch – L
Vorgeschichte und allgemeine Darstellungen, ebenfalls bei Bedarf herangezogen:
- George F. Kennan, Bismarcks europäisches System in der Auflösung, die französisch-russische Annäherung – Q
- Thomas Nipperdey, Deutsche Geschichte 1866-1918, Bd. II: Machtstaat vor der Demokratie – Q
- Paul Kennedy, Aufstieg und Fall der Großen Mächte, Ökonomischer Wandel und militärischer Konflikt von 1500 bis 2000 – L
- Henry A. Kissinger, Die Vernunft der Nationen, Über das Wesen der Außenpolitik – Q
- Jürgen Osterhammel, Die Verwandlung der Welt, Eine Geschichte des 19. Jahrhunderts – L
L: wird gelesen
O: noch offen
Q: früher gelesen
Fazit: Alleine auf dieser Liste gibt es noch viel zu lesen, daneben natürlich auch. Ernst Nolte und Oswald Spengler drängeln sich im Regal immer nach vorne, aber auch Thomas Mann fordert noch Berücksichtigung.
So viel ernsthafte Mühe spricht aus Ihrem Bericht über dieses Lese-Projekt – und dennoch:
Ihre Erkenntinisse dürften darunter leiden, dass sich unter Ihrer Lektüre kein einziges zeitgenössisches Material befindet (nach Ihrer Bibliographie). Enttäusched und eigentlich kaum nachzuvollziehen – wo doch so viele ergreifende Werke von Zeitzeugen für billiges Geld in den Antiquariaten und Archiven verstauben.
Nette Grüße
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