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Fest (1926-2006) scheint in Vergessenheit zu geraten. Unlängst fiel sein Name öfter, anläßlich des unerwarteten Todes seines Nachfolgers, des von ihm entdeckten Frank Schirrmacher. Dieser hatte als brillianter Jungkonservativer die Aufmerksamkeit des Älteren gewonnen, sich später dann „freigeschwommen“. Schirrmacher, der bis weit links der Mitte als satisfaktions- und diskursfähig galt, wurde in den Nekrologen, die oftmals die Grenze zum Kitsch nicht wahren konnten, als Prototyp des „guten Konservativen“ verklärt. Vergleichbare lagerübergreifende Lobeshymnen wurden Fest nicht zuteil, der eben auch geprägt von den politischen und gesellschaftlichen Lagerbildungen des 20. Jahrhunderts war und blieb.
Fest war ab 1963 für zehn Jahre Chefredakteur des Norddeutschen Rundfunks und von 1973 bis 1993 Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und Leiter von deren Feuilleton. Seine Hitler-Biographie erschien 1973 und verkaufte sich vielhunderttausendfach. Sie wurde insoweit kritisiert, als sie dem Holocaust nicht den gebührenden Rang einräume.
1986 veröffentlichte Fest einen Artikel von Ernst Nolte „Vergangenheit, die nicht vergehen will“, der zum Auslöser des Historikerstreits wurde. Fest wollte sich Noltes Auffassungen nicht zu eigen machen, trat aber dafür ein, daß die Diskussion darüber öffentlich geführt werden können müsse.
Außerdem hatte er lange Zeit Kontakt zu Albert Speer, dem ehemaligen Rüstungsminister und Architekten Hitlers. Fest unterstützte ihn dabei, aus seinen während der Haft entstandenen Notizen eine Autobiographie zu machen (1969), der er dreißig Jahre später selbst eine Biographie Speers folgen ließ. Auch diese reizte – etwa den Historiker Götz Aly – zum Widerspruch.
2004 erschien eine Sammlung von Porträts, in denen Fest – so der Untertitel – über nahe und ferne Freunde schreibt. Golo Mann, Johannes Gross, Wolf Jobst Siedler, aber eben auch Rudolf Augstein und Ulrike Meinhof. Weitere wichtige Namen der alten Bundesrepublik sind darunter, außerdem Hannah Arendt und Hugh R. Trevor-Roper. Ein Aufsatz aus der Feder des letzteren hatte Fest veranlaßt, sich Ende der 1960er Jahre des Themas Hitler anzunehmen.
Fest starb wenige Tage, bevor seine Erinnerungen unter dem Titel „Ich nicht“ erschienen. Darin schildert er seine Jugend in Berlin-Karlshorst vor allem mit Blick auf den Vater, der sich der nationalsozialistischen Ideologie widersetzte und seine Familie durch diese Zeit brachte. Gleichzeitig schildert Fest eindrucksvoll Lektüre- und Bildungserlebnisse.
Kann man hier lesen, wie Bürgerlichkeit als Lebensform durch praktisches Vorleben weitergereicht wird, so zeigen die posthum 2007 erschienenen späten Essays unter ebendiesem Titel, wie im ideologischen Zeitalter innere Freiheit bewahrt werden kann, wie Menschen um sich und ihre Haltung zur Macht ringen, wie Kunst und Kultur wirken können.
Fest schreibt in eine klare und gut zu lesende Prosa, seine Bücher lohnen sich auch und gerade dann, wenn Fests Welt und Bezugsräume heutigen Lesern fremd vorkommen mögen. Es entsteht ein Verständnis von Bürgertum, das dem von Frank Schirrmacher gar nicht so fern ist.
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