Felix Hartlaub, Aus Hitlers Berlin 1934-1938

Einband, Vorsatzblatt und Lesebändchen des Bandes der Bibliothek Suhrkamp Nr. 1489 sind in kräftigem Violett gehalten, der hellgraue Umschlag zeigt eine Zeichnung aus dem Band. Dieser enthält verschiedene literarische Skizzen und diverse Zeichnungen des Autors Felix Hartlaub. Hartlaub wurde 1913 in Bremen geboren und ist in Berlin während der letzten Kriegstage verschollen. In Berlin studierte er von November 1934 bis April 1939 Geschichte, Kunstgeschichte und Romanistik. Er wurde bei dem Historiker Walter Elze mit einer Arbeit über Don Juan d’Austria promoviert. Hartlaubs zunächst durchaus vorhandene nationalsozialistische Präferenz bildete sich zurück, er beobachtete gesellschaftliche Entwicklungen schon in der Friedenszeit zunehmend kritisch.

Er war als Soldat in Frankreich, hielt diese Zeit in seinen „Kriegsaufzeichnungen aus Frankreich“ fest und kehrte in den Wirren der Rückzüge nach Berlin zurück. Die hier versammelten Texte sind zum Teil Skizzen im Entwurfsstadium, überwiegend aber weit gediehene, geschliffene Texte, ambitioniert, der später noch vorzunehmenden Zusammenfügung und endgültigen Politur harrend.

Der Neuling in Berlin, der Student auf Wohnungssuche, diese Situation ist Anlaß für die Beschreibung verschiedener Berliner Gegenden und damals üblicher Wohn- und Lebensformen. Er beschreibt ausländische Studenten, schildert die Bibliothek als eigenartigen Ort, ja als von seltsamen Gestalten bevölkertes Bestiarium. Hartlaub schreibt von der „moskowitisch endlose[n] Fassade des Schlosses, an der der wohlgezielte Stoss [sic!] der Lindenallee zerschellt; der Verkehr rinnt an der schrägen Front ab.“ (S. 36) Schonungslos scharfsichtig heißt es über die aus den Ferien zurückgekehrten Studenten: „Im Allgemeinen wirken die jungen Menschen wie eingekeilt in ihre Individualität, trotzig-träge in ihr verharrend. Nirgends Wachstum, Blüte, Reichwerden und Verschwenden, oder Wandlung und Neubeginn. die Brille auf dem Nasenrücken, den Kragenknopf an der Kehle, die Füsse affenartig hinter die Stuhlbeine geklemmt entrieten sie steisstrommelnd [sic!] der gefürchteten Jugend! Vom Leben aufs Existenzminimum, auf Halbsold gesetzt. Entwicklung = Reduktion.“ (S. 48)

Hartlaub schildert Eindrücke von einer Fahrt mit der S-Bahn, die im Prinzip heute noch nachvollziehbar sind, wenn auch die Kroll-Oper verschwunden ist. (S. 50) Es gibt Miniaturen, etwa aus dem Straßencafé, aus dem Mietshaus, die allesamt höchst lebendig und frappierend sind. Auch ein Tag aus dem „produktiven“ Studentenleben läuft heute zwar elektronisch ergänzt, aber insgesamt noch vergleichbar ab.

Felix Hartlaub hatte viel Potential, er machte gute Beobachtungen und konnte diese in bis heute treffende und anrührende Worte fassen.  Er hätte auch nach 1945 sicher viel zu erzählen und auf jeden Fall viel zu beobachten gehabt.

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