Hofmannsthal, der späte Goethe – nun also Thomas Mann. TM las seit den 1890er Jahren englische Literatur in deutscher Übersetzung, vor allem Dickens, Carlyle und Thackeray. Seit dieser Zeit entwickelte er eine Vorliebe für den britischen Humor und ließ immer wieder Sprachbilder und Erzähltechniken in das eigene Werk – besonders sichtbar im ‚Felix Krull‘ und im ‚Zauberberg‘ – einfließen. Die kennzeichnenden Abschweifungen des Tristram Shandy spiegeln sich in den ‚Josephs‘-Romanen wider.
Von den Dramatikern schätzte er George Bernard Shaw und natürlich William Shakespeare. Ihn verglich er mit seinen Hausgöttern Goethe und Wagner sowie mit dem hochgeschätzten Dostojewski. Er las Shakespeare vor allem in der Übertragung von Schlegel und Tieck, später auch im Original und besuchte über die Jahrzehnte immer wieder Theateraufführungen seiner Werke. Von einer Romeo-und-Julia-Vorstellung schreibt er an Hans Mayer:
„Das Ganze Wildwuchs, Schmierengenialität von unnennbarem Unsterblichkeitsgepräge wie immer bei Shakespeare.“
Besonders beeindruckt hat ihn Hamlet, auf den TM in ‚Tonio Kröger‘ anspielt, den er als Charakter mit Nietzsche vergleicht und aus dem er gerne zitierte. Zur Vorbereitung der großen Shakespeare-Abschnitte im ‚Doktor Faustus‘ las TM wissenschaftliche Shakespeare-Literatur und wichtige Werke 1942/43 auf deutsch und englisch.
Adrian Leverkühn liest und vertont Shakespeare in entscheidenden Phasen seines Lebens, was im Roman ausführlich und mit langen Textzitaten verarbeitet wird. Leverkühn, der sich Shakespeare anverwandelt, wird so als wahrhaft großer Künstler gezeichnet (eine Spiegelung der Anverwandlung Goethes durch TM in ‚Lotte in Weimar‚). Leverkühn verabschiedet sich von seinem Neffen Nepomuk mit den Worten Prosperos:
„Then to the elements. Be free, and fare thou well!“
Insgesamt sah TM in der englischen Literatur von Shakespeare bis zu seiner Gegenwart eine stete Inspirationsquelle.