Alte Frauen, die in der Nacht aufräumen, müssen schlecht sein. – Joseph Roth, Erzählungen

So spannend und lehrreich mein Centennariums-Leseprojekt auch ist, zwischendurch muß es auch mal etwas anderes sein. Aber allzuweit vom Wege abgekommen bin ich dann doch nicht:

Zwischen 1915 und 1938 bzw. posthum 1940 (hier widersprechen sich Nachwort und Zeittafel mit Blick auf „Der Leviathan“, und auch Wikipedia nennt zu diesem Werk beide Daten, ohne auf den Widerspruch hinzuweisen) erschienen die sieben Erzählungen Joseph Roths, die der 2014 herausgekommene dtv-Band unter dem Titel „Die großen Erzählungen“ versammelt.

Unterschiedlich in Länge, Gegenstand und Duktus handeln doch alle sieben Erzählungen vom Unvermögen des Menschen, ein gelingendes Leben leben zu können. Obwohl sie also traurig und desillusionierend sind – oder lebensklug, das ist eine Frage der Sichtweise – lesen sich die Texte wunderbar.

In „Der Vorzugsschüler“ zeichnet Roth scharf und knapp die Dürftigkeit einer Existenz, in „Barbara“ die Vergeudung eines Mutterlebens. „April“ besticht durch eine Fülle von Miniaturen, während „Stationschef Fallmerayer“ eine ungewöhnliche Liebesgeschichte beschreibt. Durch eine Fügung begegnen sich zwei Menschen, deren Wege sich nach Wiederherstellung der Ordnung wieder trennen. Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges eröffnet Fallmerayer ungeahnte Perspektiven, die er erstaunlich zielstrebig nutzt. In aller Sparsamkeit grandios erzählt mit einem fulminant-lapidaren Schluß.

In „Die Büste des Kaisers“ läßt der inzwischen nach Paris emigrierte Roth das kakanische Österreich wiedererstehen; „Der Leviathan“ durchmißt das Gebiet der heutigen Ukraine.

Eine lohnende Lektüre allemal.

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2 Antworten zu Alte Frauen, die in der Nacht aufräumen, müssen schlecht sein. – Joseph Roth, Erzählungen

  1. saetzebirgit schreibt:

    Lieber Norman,
    danke für die Verlinkung…kennst Du auch den Sammelband von Kiepenheuer&Witsch? Da sind offenbar alle – bis dahin bekannten – Erzählungen inkl. der Novelle „Legende vom heiligen Trinker“ enthalten. Spannend aber v.a. wegen des Nachwortes von André Heller, dessen Vater mit Joseph Roth im Exil den Kaisersohn reaktivieren wollte – mach ich vielleicht mal was drüber, wenn ich beim Radetzkymarsch bin.
    LG Birgit

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