Kurzgefaßt: Sammelrezension

Besprechung von Pierre Bost, Bankrott • Robert Harris, Imperium • Maeve Brennan, Tanz der Dienstmädchen

Manche Bücher verdienen mehr als die knappe Bemerkung in der Leseliste, aber mitunter fehlt die Zeit für eine ausführliche Rezension. Also versuche ich es jetzt mal mit diesem Mittelweg der Sammelrezension.

Pierre Bost, Bankrott, 1928, dt. 1930, Neuübersetzung 2015 (Rainer Moritz)

Der 1901 geborene Bost war seit 1923 in Paris literarisch aktiv, ab den Dreißiger Jahren vor allem als Drehbuchautor. Bankrott thematisiert die Moderne in der Großstadt, mit den Phänomenen Beschleunigung, Wachstum, Entfremdung. Der Roman blendet Politik und Kultur weitgehend aus, konzentriert sich stattdessen ganz auf die persönliche Situation der miteinander verbundenen Hauptfiguren. Körperliche Erschöpfung, die Schwierigkeit, Beziehungen einzugehen und in eine Familie zu überführen, Sprachlosigkeit und wirtschaftliche Schwierigkeiten werden in einer insgesamt recht lakonischen Sprache abgehandelt. Dabei habe ich keine rechte Sympathie für die Figuren entwickelt und war froh, als sich unsere Wege am Ende des Buches trennten.

Ob ein Mehrteiler aus seiner Feder im Stile von Zolas »Les Rougon-Macquart« die Zwanziger Jahre hätte umfassender aufarbeiten können?

Das in flaschengrünes Leinen gebundene Buch im Oktavformat hat blaue, mit weißen Ornamenten verzierte Vorsatzblätter und ein blaues Lesebändchen und ist durchaus ein Hingucker.

2. Februar 2016

Robert Harris, Imperium, 2006, dt. 2006 (Wolfgang Müller)

Als Sidekick zur Cicero-Biographie »Rom, das bin ich« von Francisco Pina Polo ist dieser historische Roman zwar ein bißchen dick und gehört überdies einem von mir üblicherweise gemiedenen Genre an, aber hier hatte ich vor einiger Zeit zugegriffen und zog das (Taschen-)Buch nun endlich einmal aus dem Regal.

Die Geschichte Ciceros wird aus der Perspektive eines Sklaven erzählt, der sechsunddreißig Jahre lang sein Privatsekretär war, eine Kurzschrift erfand, um den Redefluss seines Herrn festhalten zu können und der ihm während all der Machtkämpfe und Intrigen, während des politischen Auf und Ab nicht von der Seite wich. Das Buch endet mit der Wahl Ciceros zum Konsul.

Ein ideales Buch zur Zerstreuung am Strand oder vor dem Kamin, das auf historischen Fakten aufbaut und diese in eine spannende Story überführt.

18. Februar 2016

Maeve Brennan, Tanz der Dienstmädchen. New Yorker Geschichten, 2000, dt. 2010 (Hans-Christian Oeser) 

Die Erzählungen erschienen ursprünglich in den 1950er und 1960er Jahren in »The New Yorker«. Sie berichten – teilweise aus der Dienstmädchenperspektive – über das Leben der Reichen in einer exklusiven Wohnsiedlung außerhalb der Stadt, Herbert’s Retreat.

Einige der Geschichten sind inhaltlich miteinander verknüpft, sie kontrastieren arm und reich in effektvoller Weise und beschreiben ein eigentümlich leeres Leben – egal, ob die Personen arbeiten müssen oder nicht, ob sie arm sind oder reich. Die Sprache ist nüchtern und diagnostiziert die soziale Situation  glasklar, wobei man als Leser oft in menschliche Abgründe blicken darf. Alkoholprobleme sind an der Tagesordnung, viele Ehen nur Fassade.

Gleichwohl ist das Büchlein eine äußerst vergnügliche Lektüre. Ich vermute, daß die Geschichten in der späten Vorkriegszeit angesiedelt sind, also den New Yorkern in den 1950er Jahren und später weniger als kritischer Spiegel ihrer Gegenwart denn als leicht verklärter Blick in die jüngere Vergangenheit vorkamen und deswegen trotz der gelegentlichen Demaskierung der besseren – aber nicht der besten – Kreise erträglich waren.

22. Februar 2016

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4 Antworten zu Kurzgefaßt: Sammelrezension

  1. Petra Gust-Kazakos schreibt:

    Der Tanz der Dienstmädchen würde mich auch interessieren … Schade, dass der Bost denn doch nicht sooo wunderbar ist, hm. Vielleicht muss ich selbst mal reinlesen. Die Kurzbesprechungen geben einen guten Überblick : ) Liebe Grüße
    Petra

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