23. September 2015
Nach dem Frühstück habe ich den Koffer gepackt und ausgecheckt. Mein Rückflug am späten Nachmittag erlaubt mir noch ein wenig Sightseeing. Da ich bereits das Alte Fort und Teile der Innenstadt angesehen habe, sollte mich mein Weg heute in eine andere Gegend Belgrads bringen. Vier Kilometer Fußweg, dabei eine wichtige Verkehrsader überqueren, das alles bei hohen Temperaturen und Sonnenschein.
Am Hotel Moskva und dem Theater mit der verkleideten Fassade vorbei – dieses Stück Weges kannte ich schon von meinem gestrigen Gang zum Café Manjez – und dann weiter. Doch anstatt zur rechten Zeit abzubiegen, ging ich geradeaus weiter, auf die plötzlich über den Dächern aufgetauchte, mächtige Kathedrale zu.
Auf der höchsten Erhebung thronend, dominiert die Kathedrale des Heiligen Sava nicht nur das Stadtbild, sondern ist auch innen von beeindruckender Größe. Diese kommt umso mehr zur Geltung, da die Kirche gerade renoviert wird und von innen wie ein Rohbau wirkt, entkernt und beinahe schmucklos.
Durch einen kleinen Park – wie alle Parks, Plätze und Brunnen ist er belebt – gelange ich zu einer Straßenkreuzung, die mir mehrere Möglichkeiten bietet, auf meine ursprüngliche Route zurückzukehren. Ich entscheide mich für den Weg durch das Gelände der Universitätsklinik. Der Weg schlängelt sich recht steil den Berg hinunter, den ich zuvor von der anderen Seite heraufgeschritten bin. Die Klinikanlage stammt aus dem späten neunzehnten Jahrhundert und trägt schwer an zwischenzeitlichen, freilich auch schon wieder recht angejahrten Modernisierungen. Wie in einem Trichter laufen am Ende ein paar Sträßchen und Wege auf einen Fußgängersteg zu, der hier die Ausfallstraße überquert.
Auf der andern Seite ist ein erneuter Anstieg zu bewältigen, der zu einem Plateau führt. Dort bin ich in einer Welt angekommen, die mich von ihrer Anlage her an die Siedlungen der amerikanischen Soldaten in Wiesbaden erinnert. Sanft schwingende, weite Kurven, langsame Anstiege, breite Straßen, sehr viel Grün. Hinter einem Boulevard liegt mein Ziel, das Areal der früheren Residenz von Tito.
Das Museum des Jugoslawischen Sports dient heute als Stätte der Erinnerung und beherbergt eine Ausstellung, bei der Künstler aus elf Ländern Südosteuropas Erinnerung thematisieren. Fotos und Videos sowie Originalquellen werden gezeigt und veranschaulichen Erinnerung und Erinnern für mich mehr oder weniger überzeugend, etwa eine Folge von Fotos und Zeitungsausschnitten aus Griechenland (s.u.). Interessant ist das Museum selbst, ein Bau der 1960er Moderne, im Stile des früheren Bonner Kanzlerbungalows.
Nur ein anderer Besucher hat sich hierher verirrt. Nach einem eher kurzen Rundgang geht es wieder hinaus und durch in Tor in den sich eine Anhöhe hinaufziehenden Rosen- und Skulpturengarten, in dem das Haus der Blumen liegt. Dort sind Tito (1892-1980) und seine im Jahr 2013 verstorbene Frau begraben.
Rosen und Skulpturen sind in überschaubarer Anzahl und wenig beeindruckender Qualität vorhanden; am interessantesten ist eine Statue, die Josip Broz Tito in der Marschallsuniform 1948 zeigt.
Der Marmorsockel, unter dem Tito liegt, ist zwar groß, aber insgesamt verströmt der Bau eine überraschende Leichtigkeit und erscheint mir als perfekter Ausdruck der Zukunftshoffnungen, für die das 20. Jahrhundert nach dem Zweiten Weltkrieg einmal stand.
Der Museumsteil ist klein und gut in die Anlage integriert; erinnert wird an die jugoslawische Tradition, zu Titos Geburtstag im ganzen Land Staffelläufe zu veranstalten und einer zentralen Zeremonie im Belgrader Stadion an ihn übergeben. Eine Auswahl dieser verzierten Stäbe – je nach Berufs- oder Gesellschaftsgruppe sehr unterschiedlich – ist zu sehen. Gezeigt wird auch die Wirkungsgeschichte des Grabmals/Museums parallel zur staatlichen Entwicklung Jugoslawiens bis zum heutigen Serbien. Es ist ferner ein wuchtiger Holzschreibtisch zu sehen, persönliche Rauchutensilien und ein Schreibset, das ihm einst Präsident Kennedy schenkte. Es habe immer auf seinem Schreibtisch gestanden und habe Tito viel bedeutet – so von Präsident zu Präsident.
Der Abstieg zur Stadt führt mich nun über ein großdimensioniertes Autobahnkreuz, das mich als Kind meiner Generation und Kind meiner Eltern stark anspricht. In ihm kommt für mich eine unbefangene Auffassung der Welt zum Ausdruck, der Glaube an unbegrenzten Fortschritt. Dieses Gefühl, nach der Erfahrung der Atombombe nun alle Kräfte in den zivilen Auf- und Ausbau zu stecken – was daraus doch geworden ist…
Auf dem Rückweg erreiche ich das Café Moskva, in dem ich gestern bereits zu Torte und Kaffee eingekehrt war. Heute versuche ich es mit dem Hotel(bar)klassiker, einem Clubsandwich. Das läßt auf sich warten, der Kenner bittet um Nachsicht, es sei etwas schiefgegangen, dann kommt es. Wir breiten den Mantel des Schweigens darüber, alles war immerhin frisch und wir waren hungrig.
Während ich warte, schreibe ich diese Eindrücke nieder.
Der weitere Weg führt an Gebäuden vorbei, die noch Spuren des NATO-Bombardements tragen.
Danach kehre ich zurück in die belebte Fußgängerzone, in der mein Hotel liegt, wo mein Koffer auf mich wartet. Aber zunächst bleibt noch etwas Zeit zur Erkundung links und rechts davon liegender Straßen, mit dem Universitätsgebäude und seinem schönen Innenhof sowie die Studentenpark auf der einen Seite und einem allerliebsten Platz auf der anderen, umgeben von kleinen Straßen mit Cafés und kleinen, teils recht exklusiven Läden.
Ich entdecke das Café mit dem sprechenden Namen „Koffein“, das eine interessante Mischung aus abgeschabtem Ostküstencharme und Berlin-Mitte verströmt. Der Kaffee ist sehr gut, nur das Internet überlastet – kein Wunder, alle sitzen vor ihrem aufgeklappten MacBook oder hantieren mit einem mobilen Endgerät.
Ich schaue aus dem Fenster auf die sonnige Straße, genieße die schattige Pause und lese weiter in Petras Buch über das Reisen. Perfekt!
Bald darauf geht es zurück zum Hotel, den Koffer holen, dann zum Flughafen und wieder nach Hause!
Danke, dass Du uns auf Deine Reise mitgenommen hast!
Schön! Und danke für die Anregungen.