Der Autor war von 1920 bis 1941 jugoslawischer Diplomat, zuletzt – ab 1939 – in Berlin. Der kroatische Bosnier lebte von 1892 bis 1972 – geboren als Untertan Kaiser Franz-Josephs II., danach Diplomat des Königreichs der Serben, Kroaten und Slowenen und gestorben als Untertan von Marschall Tito. Ein langes und wechselvolles Leben, gekrönt durch den Literaturnobelpreis, den Andrić 1961 verliehen bekam.
Zwischen 1941 und 1945 lebte er als Privatmann und schrieb drei Bücher, „Das Fräulein“, „Wesire und Konsuln“ sowie „Die Brücke über die Drina“ – eine episodenreiche Chronik der Brücke, ihrer Geschichte und der Menschen, die sie verbindet.
Die Stadt Visegrad liegt an dieser Brücke, über die die Landstraße nach Sarajewo führt – Višegrad, die Stadt, in der Andrić als Kind lebte. Seine Chronik illustriert Lebensumstände, Wandlungstempo und Verflechtung; sie weist tief zurück in die neuzeitliche Geschichte des westlichen Balkan.
Die Drina trennt und die Brücke verbindet – Ostrom und Westrom, Christen und Moslems, Serben und „Neutürken“. Andrić erzählt von ihren Begegnungen, von Fragen, Verstehen und Verletzungen. Ein europäisches Buch. Ein lebenskluges Buch dazu:
„Oft geschieht es hier bei uns, dass ein Mädchen, das man weithin rühmt, gerade deswegen keine Freier findet und sitzenbleibt, während sich Mädchen, die ihr in nichts gleichkommen, leicht und schnell verheiraten.“ (S. 149)
Und dann wird diese junge Frau doch verheiratet, ein Bewerber, den sie zurückweist, gewinnt das entscheidende Einverständnis ihres in eine finanzielle Schieflage gekommenen Vaters, es kommt in der Stadt verabredungsgemäß nur zur zivilen Hochzeit. Dann will der Bräutigam sie heimführen in sein Dorf zur Hochzeitszeremonie, der Zug überquert die Brücke, von der sich die junge Frau stürzt. Es bleibt allein das Lied, das ihre Schönheit und Klugheit rühmt.
Die vorliegende Übersetzung stamt aus dem Jahr 1953 und wurde für die Neuausgabe 2013 überarbeitet.