Yaa Gyasi, Heimkehren, 2016, dt. 2017 (aus dem Englischen von Anette Grube), 410 Seiten.

Dies ist ein besonderes Buch. Die Autorin erzählt Geschichten über Menschen und Stationen ihrer Lebenswege im heutigen Ghana und den USA. Alles beginnt in der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts, als die Briten von Cape Coast aus Sklaven nach Amerika verschiffen, die sie von lokalen Verbündeten aus dem Hinterland der damals so genannten Goldküste erhalten.
Zwei Frauen, die unbekannterweise Halbschwestern sind, werden auf unterschiedliche Lebenswege geschickt, die das Leben der nachfolgenden Generationen bestimmen werden. Die eine, Esi, gelangt als Sklavin nach Nordamerika, die andere, Effia, heiratet einen britischen Sklavenhändler.
Gyasi hat keine auserzählte Familiensaga vorgelegt, sondern zwei parallele Erzählstränge mit Episodencharakter. Dies habe ich während des zweiten Drittels durchaus als Manko empfunden, als sich abzeichnete, daß dieses Panorama nicht kommen würde. Dann aber habe ich mich mit dem Ansatz der Autorin versöhnt und mich mehr auf die Stärken des Buchs konzentriert.
Heimkehren ist gut erzählt, konsequent durchkomponiert – trotz der Leerstellen – und von großer Authentizität. Fakten, Erklärungen, historische Zusammenhänge werden so in die Erzählung eingebunden, daß sie den Romancharakter des Buches in keiner Weise aufbrechen, verlieren dabei aber auch nichts von ihrer Überzeugungskraft.
Beeindruckend finde ich, wie der insgesamt doch nur mittellange Text so viel an Inhalt transportiert. Der Verzicht darauf, die Geschichte jeder Person vollkommen auszuerzählen, ist der notwendige Preis dafür, wird aber letztendlich dadurch kompensiert, daß sich gleichwohl ein umfassendes Bild ergibt. Ein Bild, das nicht pointillistisch alles festhält, sondern besonders wichtige Stellen und Strukturen wenn nicht ausleuchtet, so doch zumindest benennt. Es sind die schwarzen Stimmen und Perspektiven, die natürlich ein anderes Bild zeichnen.
Dies ist ein besonderes Buch, und ich bin froh, es gelesen zu haben.
Ein großartiges Buch, dem ich viele weitere Leserinnen und Leser wünsche!