Heide Sommer, Lassen Sie mich mal machen

Heide Sommer, Lassen Sie mich mal machen. Fünf Jahrzehnte als Sekretärin berühmter Männer, 2019, 256 Seiten.

Heide Sommer, Lassen Sie mich mal machen | Foto: Verlagswebseite

Heide Sommer, Lassen Sie mich mal machen | Foto: Verlagswebseite

Die im Jahr 1940 geborene Autorin stieg mit 19 ins Berufsleben ein, machte nach anderthalb Jahren einen Abiturientenkurs bei einer Handelshochschule und kam nach einigen Übergangsstellen im Jahr 1963 zur Wochenzeitung »Die Zeit«. Marion Gräfin Dönhoff stellte die junge Frau ein, die dann für Theo Sommer, ihren späteren Geliebten und nachmaligen Ehemann, arbeitete.

Er eröffnet jenen Reigen berühmter Männer, denen Heide Sommer als Sekretärin jene unschätzbare Dienste leistet, deren Bedeutung wir heutigen, zum Selbstschreiben Verdammte kaum nachvollziehen können. Sie genießt es, auf jene Weise „dabei“ zu sein, wenn interessante Menschen spannende Dinge tun. Mit ihrem Platz in der zweiten Reihe zufrieden, möchte sie von ihren Chefs aber mit Respekt behandelt werden und erwartet, daß sie Ratschläge geben darf. Wenn das nicht oder in nicht ausreichendem Maße gegeben ist, dann sucht sie sich etwas neues.

Das Buch mischt Autobiographisches mit Beobachtungen, die sich auf die unmittelbare Arbeitsumwelt, aber – vermittelt durch die Arbeitsinteressen der jeweiligen Chefs – auch auf die politischen und kulturellen Rahmenbedingungen beziehen. Auf diese Weise bekommt man beim Lesen auch, sozusagen nebenbei, immer etwas von der Bundesrepublik Deutschland mit.

Die zeitliche Gewichtung ist allerdings etwas unausgewogen: die ersten hundertachtzig Seiten des Buches reichen bis 1984 – die anschließenden dreißig Jahre müssen sich mit siebzig Seiten begnügen.

Das hängt aber nach meinem Eindruck nicht etwa mit einer geringeren Wertschätzung der späteren Chefs oder der Arbeitsstellen zu tun. Heide Sommer ist da immerhin schon Mitte Vierzig und schreibt in diesem letzten Teil des Buches dann weniger über sich selbst; der Coming-off-age-Aspekt fällt schlicht weg.

Sie hat wenig Verständnis für die MeToo-Debatte, sagt dies einmal recht ausführlich auch ausdrücklich; im Rückblick auf die Arbeitsatmosphäre läßt sie an mehreren Stellen durchblicken, daß knisternde Erotik zum Arbeitsalltag dazugehört und jede Frau Nein! sagen könne.

Eigentliche Enthüllungen bietet das Buch nicht, eher amüsante Episoden. So greift sich der junge FJ Raddatz jedes Mal ans Gemächt, wenn er die junge Heide Sommer sieht. Als sie im Alter zusammenarbeiten, ereignet sich nichts vergleichbares. Hier erzählt sie respektvoll von seinem selbstbestimmten Sterben.

Angenehm weht ein nicht steifes Hanseatentum durch das flüssig erzählte, gut lesbare Buch. Zeitgeschichtlich und persönlich bietet es eine ansprechende und teilweise lohnende Lektüre, die in meinem Fall aber auch sehr schnell vorbei war.

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