
Szenenfoto aus „Zeugin der Anklage“
Der Autor (1896-1971) schrieb diesen Kriminalroman, der im Jahre 1940 unter dem Titel »Verdict of Twelve« erschien, und reflektierte darin verschiedene Aspekte der politischen Situation der 1930er Jahre sowie die These von Marx, daß das Sein das Bewußtsein bestimmt.
Postgate war Sozialist und zeitweise auch Marxist. Er besuchte die Sowjetunion, lehnte aber die geforderte blinde Gefolgschaft gegenüber Moskau ab und äußerte sich später kritisch zu Stalin.
Das »Urteil der Zwölf« liegt in einem Taschenbuch (Goldmann) aus dem Jahre 1988 vor mir; der Text wurde 1967 ins Deutsche übertragen (Eberhard Gauhe) und ist 185 Seiten lang.
Der Roman ist ein wunderbarer erster Kandidat für die #GoldenBacklist -Challenge bei Papiergeflüster.
Postgate stellt die Biographien der zwölf Geschworenen vor – während diese vereidigt werden – und leitet später daraus ihr Verhalten während des Prozesses und der Urteilsberatung ab. Sparsame und doch charakteristische Personenzeichnung und Geschehnisschilderung lassen die zwölf ehrenwerten Mitglieder der Gesellschaft vor dem Auge des Lesers entstehen. Auf S. 74 beginnt dann der eigentliche Prozeß mit einer skurrilen Wendung und der Schilderung des Falles (S. 78ff.).
Mit oft bitteren Worten skizziert Postgate prägnant das Leben der Angeklagten, die gesellschaftlichen Verhältnisse und den Haushalt, in denen sie lebt und kreist das Verbrechen ein, das geschehen und danach zum Gegenstand des Prozesses werden wird.
Der englische Gerichtsprozeß wird in sparsamen Strichen gezeichnet und steht doch sogleich lebendig vor den Augen des Lesers. Auf den letzten Trumpf des eindrucksvollen Verteidigers folgt die Beratung der Geschworenen, jeder gefangen in seiner Welt, geprägt von eigenem Fehlverhalten, Vorurteilen oder Glaubensüberzeugungen. Schuldig oder nicht schuldig?
Welcher Urteilsspruch gefällt wird und was sich danach ergibt, sei hier nicht verraten.
Postgate schrieb einen Klassiker des Genres, es ist in meinen Augen ein starker Kriminalroman, ohne Chichi, aber doch mit einer deutlichen Kritik am Geschworenensystem.
Den notiere ich mir mal, danke.
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