Aus einer Welt, die 1914 versinkt, mache ich einen Lektüresprung, der zwar nur wenige Jahre nach vorn weist, aber doch größer kaum sein könnte: Hemingway im Paris der 1920er Jahre!
Ernest Hemingway schrieb sein Buch »Paris, ein Fest fürs Leben« von 1957 bis 1960, es erschien posthum im Jahre 1964. Es behandelt seinen Aufenthalt in Paris von 1921 bis 1926. Wesentliches Material für dieses Buch hatte von 1928 bis 1956 im Hotel Ritz gelagert, bis es ihm die Hoteldirektion dann gleichsam aufdrängte. Die alten Textelemente wurden grundlegend überarbeitet und zu der Version von 1960 geformt, an der Hemingway aber bis zu seinem Tod im Jahr 1961 weiterschrieb, ohne eine endgültige Gestalt zu finden. Die schließlich veröffentlichte Fassung wich stark von dem fertiggestellten Manuskript ab. Erst die Neuveröffentlichung aus dem Jahre 2009 basiert wieder auf dem Originalmanuskript, welches um verwandtes Material, das in einem Anhang beigegeben wurde, ergänzt ist.
Inzwischen wusste ich, dass alles Gute oder Schlechte eine Leere hinterließ, wenn es aufhörte. Aber wenn es schlecht war, füllte sich die Leere von allein. War es gut, konntest du sie nur füllen, wenn du etwas besseres fandest. (S. 55)
Die einzelnen Kapitel sind miteinander verbunden durch die Stadt Paris (oder die urlaubsweise Entfernung von ihr), es gibt viele Dialoge, mit kurzen und knappen Männersätzen. Spricht der Autor mit seiner Frau, werden die Sätze – auch seine – länger. Ein Pariser Kolorit wird durch Straßennamen und Wegbeschreibungen, durch die Nennung von Speisen, Weinen und Orten geschaffen: knapp und schlicht, mitunter plakativ und wiederholend, aber gleichzeitig voll Sympathie für die Stadt.
Hemingway besucht Pferde- und Radrennen: Pferde und Radfahrer sind gedopt. Er trifft Gertrude Stein und ihre Freundin, die ihn protegieren, aber Gertrude Stein am allerwichtigsten nehmen.
Er muß sich zwischen einzelnen Arbeitsphasen körperlich erschöpfen, wozu ihm Sport und Sex mit seiner Ehefrau dienen. Ansonsten nimmt die Schriftstellerexistenz breiten Raum ein, Begegnungen mit anderen Dichtern, von denen er lernen möchte, Beschreibungen des Arbeitsprozesses. Hemingway entdeckt die russischen Schriftsteller, die er mit Begeisterung liest.
Der Erste Weltkrieg wird gelegentlich in verschiedenen Kapiteln erwähnt, so wenn Gertrude Stein die ehemaligen Soldaten als „verlorene Generation“ bezeichnet oder wenn Veteranen – mutilés de guerre – beschrieben werden. 51 Seiten sind den ersten und späteren Begegnungen mit Scott Fitzgerald und dessen Frau Zelda gewidmet; Ausdruck einer langen Beziehung zweier Schriftstellerpersönlichkeiten. Die Alkoholprobleme der Fitzgeralds sind das Grundthema dieser Kapitel.
Die knappe, prägnante Form und die meist recht lakonische Erzählweise machen ebenso wie der direkte, ungekünstelte Stil die inzwischen freilich auch schon etwas altbackene Modernität der Texte aus. Die Art und Weise, wie Hemingway das Pariser Kolorit herstellt, ist für meinen Geschmack recht plakativ. Eine Sammlung guter und kurzweiliger Erzählungen.
Ein wunderbares Buch, besonders gefiel mir an der neueren Fassung auch, dass eine Geschichte in mehreren Variationen enthalten war … Liebe Grüße
Petra
Stimmt, das zeigt sozusagen den Denk- und Planungshorizont des Autors.
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