Das Lesen und das Schreiben darüber trägt höchst private, aber – und erst recht, wenn das Geschriebene im Internet zu sehen ist – auch öffentliche Züge. Schreiben und Geschriebenes haben oftmals Bekenntnischarakter, zeigen wie das Lesen selbst Nähe zum Gegenstand, aber auch Distanz und Auseinandersetzung.

Foto: nw2018
Es ist damit ein Beitrag zu einer vielstimmigen Diskussion. Je größer der Kreis der Teilnehmer, je unstrukturierter eine Debatte, desto eher kann so ein Beitrag untergehen. Ein paar Umstehende hören, was man sagt, zwei nicken, drei gehen weiter, eine Person schüttelt den Kopf – das war’s. So oder ähnlich ist auch das Schicksal vieler Blogs und noch mehr das einzelner Postings.
Lohnt es sich da überhaupt, politisch zu werden? Anzuschreiben gegen das, was man jeweils als ungerecht empfindet? Die Stimme für etwas zu erheben, das man unterstützen will, für Änderungen einzutreten?
Und wie mache ich das auf einem Buchblog? Widme ich mich nur politischer Literatur? Lese ich echte Streitschriften und Pamphlete? Oder Bücher über Politik? Biographien von Elder Statesmen? Aufmüpfiges von jungen Frauen aus dem Internet? Klagend-raunendes von alten Männern aus dem Internet?
Ist es ein politisches Statement, nur Frühlingsbücher zu lesen und darüber zu bloggen? Soll man sich im Mainstream stark fühlen – oder heldenhaft wider den vermeintlichen Stachel der Meinungsdiktatur löcken?
Man kann alles machen. Viel hängt meiner Ansicht nach davon ab, worin man die Aufgabe des eigenen Blogs sieht. Ob ich mich als Sturmgeschütz der Demokratie begreife und deswegen gegen die AfD zu Felde ziehe, als Anwalt der Hartz-IV-Empfänger sehe und deswegen abwechselnd gegen die SPD und Jens Spahn wettere – wer seinen Blog so oder anders politisch positioniert, also primär als Meinungsseite aufzieht, der wird den Schwerpunkt im Aktivismus setzen (müssen) und weniger zum Lesen von – sagen wir – skandinavischen Neuerscheinungen kommen, oder sich das Werk zuvor jedermann unbekannter Literaturnobelpreisträger erschließen können.
Meines Erachtens eine gute Idee ist es, sich selbst Leseprojekte vorzunehmen, deren Themen sehr politisch sein können. Dadurch besteht Gelegenheit, sich vertieft mit einem Gegenstand auseinanderzusetzen und im Laufe der Zeit auch politische Standpunkte zu überdenken.
So habe ich es für mich entschieden, etwa mit den Lektüreschwerpunkten Exil und Umbruch.
Generell gilt: Wer aus literaturwissenschaftlichem Interesse oder zum ästhetischen Vergnügen liest, wird mit einem Buchblog keinerlei politische Ambitionen verfolgen, ohne deswegen gleich ein unpolitischer Mensch zu sein.
Muß nicht, aber er kann und dann würde ich ihn wahrscheinlich auch als interessant empfinden!
Ein schöner Beitrag. Allein, der postulierten generellen Gültigkeit des letzten Satzes kann ich nicht zustimmen. Ich lese (und rezensiere) zum ästhetischen Vergnügen und mit literaturwissenschaftlich sowie künstlerisch interessiertem Blick. Und wie ich das Gelesene wahrnehme und beurteile, hat immer auch eine gesellschaftspolitische Dimension. Insbesondere wenn ich meine Wahrnehmung und Beurteilung in Rezensionen einer Leserschaft/Öffentlichkeit (wie groß auch immer diese sein mag) anbiete, beeinflusse ich dadurch auch deren Denken. Und das Denken schafft Wirklichkeiten. Auch wenn es nur ein kleiner Einfluss ist – es ist ein Einfluss. Insofern ist öffentliches Tun auch immer von gesellschaftspolitischer Relevanz. Der Unterschied ist, ob man sich dessen bewusst ist, tatsächlich auch diese Möglichkeit zur Einflussnahme nutzen möchte und dementsprechend reflektiert schreibt – oder nicht.
Daher ist die Antwort: Ein Buchblog muss notwendigerweise politisch sein, weil sich das gar nicht vermeiden lässt, er muss dies aber nicht bewusst und absichtsvoll sein.