Sonntag, 1. November 2015, Allerheiligen, ein goldener Herbsttag. Mittags Laufen im Tiergarten und durch die Stadt, danach Tee und Butterkuchen.
Man merkt auf den ersten Blick gar nicht, daß sich das Land gerade mitten in einer Krise befindet und vor einem gigantischen Wandel steht. Seit Wochen tobt der Kampf um die Deutungshoheit, reden ein großer Teil der Bevölkerung, Verwaltungsstellen vor Ort und die Staatsspitze aneinander vorbei. Dabei ist Angela Merkel keine zweite Claudia Roth, ihr Satz „Wir schaffen das!“ weder fröhliches Wegschauen noch kaum verhüllte Selbstaufgabe, wie ihr jetzt zunehmend unterstellt wird.
Was fehlt, sind wahrhaft konstruktive und zukunftsfähige Vorschläge. Natürlich kann man diese weder von Pegida noch der AfD erwarten. Doch Teile unserer Eliten – gleich welcher politischen Couleur – stehlen sich mit einfach-einfallslosen Vorschlägen aus der Verantwortung und überdecken das mit teils eloquenter, teils ideologisch-versatzstückhafter Kritik.
Persönlich halte ich europäische und internationale Rahmenbedingungen für wichtig, in denen einerseits weniger Menschen sich auf den Weg machen müssen und andererseits Ankömmlinge in der EU verteilt werden können. Vor Faßbomben und IS-Terror ist man auch in Portugal, Polen oder Estland sicher.
Wie Deutschland sich in zehn, zwanzig, dreißig Jahren verändert haben wird – wer kann das schon wissen. Was hätte man 1985 prognostiziert und wieviel davon müßten wir revidieren?
Am Sonnabend, den 1. November 2014 war ich in Berlin, habe mit einer beginnenden Erkältung zu tun gehabt und angefangen, diesen Beitrag zu schreiben. Er ist Teil einer Reihe, die ich „Monatserster“ betitelt habe.
Der Oktober war geprägt von Reisen nach Düsseldorf und Hamburg mit Museums- und Opernhausbesuchen sowie dem Semesteranfang. Der November wird mir viele Korrekturen und Prüfungen bescheren.
Das Literarische Geburtstagsbuch aus dem Radius-Verlag erinnert unter dem 1. November an die Geburtstage von:
- Pietro da Cortona (1596)
- Hermann Broch (1886)
- Ilse Aichinger (1921)
- Günter de Bruyn (1926)
An einem 1. November sind gestorben:
- Alfred Jarry (1907)
- Ezra Pound (1972)
- Pier Paolo Pasolini (1975)
Von Jarry, dem Autor des „König Ubu“, wird das Gedicht „Das Bad des Königs“ zitiert:
Als Wasserdrache kriecht im Feld mit grünem Klee
die Weichsel silbrig hell und blasig bis zum Rand.
Der Polenkönig und von Aragonien eh
eilt nackend in sein Bad, ein grober Elefant.Das runde Dutzend Pairs: er hat das Renommee.
Beim Schreiten bebt sein Speck, beim Atmen bebt das Land,
bei jedem Schritte gräbt sein patagonischer Zeh
ihm einen nagelneuen Pantoffel aus dem Sand.Behängt mit seinem Bauch wie mit dem Schilde bloß
geht er. Und seines Arsch erlauchte Redundanz
bestätigt lückenhaft die große Unterhos,darauf in Gold gestickt, genau nach der Natur,
ein Indianer ist im Kriegsmummenschanz
zu Pferd im Hintergund, und vorn der Eiffelturm.
Die Halbwertszeit von Bürgerschreckqualitäten ist kurz geworden.
Hierzulande bestimmt gerade eine Interviewäußerung des Bundespräsidenten, der sich kritisch zu einem von der Partei „Die Linke“ gestellten Ministerpräsidenten geäußert hat, die Diskussion. Außerdem steht der Fußballverein Borussia Dortmund auf Platz siebzehn der Bundesligatabelle. Das Wochenendwetter war noch gar nicht novemberlich.
Ein wunderbarer Ausklang. Stellen wir uns vor, das bliebe als Zeitdokument einer fernen Zukunft erhalten: Wie war es eigentlich, das Leben im Oktober/Anfang November 2014 in Deutschland …