Zuerst ward die Schöne vorgeführt, die, ohne Frechheit, gelassen und mit Bewußtsein ihrer selbst hereintrat. Die Art, wie sie gekleidet war und sich überhaupt betrug, zeigte, daß sie ein Mädchen sei, die etwas auf sich halte. Sie fing auch, ohne gefragt zu werden, über ihren zustand nicht unschicklich zu reden an.
Der Aktuarius gebot ihr zu schweigen, und hielt seine Feder über dem gebrochenen Blatte. Der Amtmann setzte sich in Fassung, sah ihn an, räusperte sich, und fragte das arme Kin, wie ihr Name heiße und wie alt sie sei?
Ich bitte Sie, mein Herr, versetzte sie, es muß mir gar wunderbar vorkommen, daß Sie mich um meinen Namen und mein Alter fragen, da Sie sehr gut wissen, wie ich heiße und daß ich so alt wie Ihr ältester Sohn bin. Was Sie von mir wissen wollen, und was Sie wissen müssen, will ich gern ohne Umschweife sagen.
Wilhelm Meisters Lehrjahre, 1795/96
Münchner Ausgabe Bd. 5, 1988, S. 49