„Und es ist wirklich wahr, Sihdi, daß du ein Giaur bleiben willst, ein Ungläubiger, der verächtlicher ist als ein Hund und widerlicher als eine Ratte, die nur Verfaultes frißt?“
„Ja.“
„Sihdi, ich hasse die Ungläubigen und gönne es ihnen, daß sie nach ihrem Tod in die Dschehenna kommen, wo der Teufel wohnt. Dich aber möchte ich retten vor dem ewigen Verderben, das dich ereilen wird, wenn du dich nicht zum Ikrâr bi’l-lisân, zum heiligen Zeugnis, bekennst. Du bist so gut, so ganz anders als andere Herren, denen ich gedient habe und deshalb werde ich dich bekehren, du magst wollen oder nicht.“
Karl May, Durch die Wüste
Bd. 1 der Gesammelten Werke
Jetzt weiß ich wieder, warum ich mich nie für Karl May erwärmen konnte: Spätestens beim Wort Ikrâr bi’l-lisân bin ich als Zwölfjährige ausgestiegen.
Tatsächlich? Ich fand das stets sehr exotisch und studierte auch die Landkarten in den Bänden sehr genau!
Karl-May-Bücher sind die Bücher aus der Jugend, an die ich mich oft gerne zurückerinnere, vor allem wenn ich selbst ein paar Tage durch die Wälder Amerikas streife oder alte Städte in der persischen Wüste besuche. Irgendwann werde ich mir mal wieder einen der alten grünen Bände schnappen und sehen, ob er noch die gleiche Magie hat wie damals.
Für mich ist es eine veränderte Lektüre, reflektierter, mit Hintergrundinformationen, aktuellen Kenntnissen, lektüregeschult. Und trotzdem hat es etwas. Vielleicht hängt das aber damit zusammen, daß man die Bücher erneut liest und an die Erinnerung der Magie anknüpfen kann. Erstleser sehen das möglicherweise ganz anders.
In Bolivien fand ich doch tatsächlich „In den Cordilleren“ in der deutschen Bibliothek in Cochabamba. So habe ich zum ersten Mal seit mindestens 25 Jahren wieder Karl May gelesen.
Die Handlung ist nicht allzu überraschend, der Held ist unglaubwürdig schlau und stark und weise und flink, aber die exakten Beschreibungen der Landschaft, die Erklärungen über Kultur, Sprache, Religion, Landwirtschaft haben mich wieder fasziniert. Angesichts dessen, dass May nie in Bolivien war und alles aus Lexika abschrieb, fand ich die Beschreibungen des trockenen Chaco zwischen Bolivien und Paraguay wirklich treffend.
An Karl May kommt man eigentlich nicht vorbei. Selbst als Nichtleser, der ich war. Mein großer Bruder kam nach der Schule nach Haus. Schlug einen grünen Band auf und beendet die Sitzung erst, wenn das komplette Buch zu Ende war. Ich las ein Stück im ersten Kapitel (Bd. I), in der Mitte den Schluß. Den Rest musste ich spielen, am nahe gelegen Schlackenberg. Beendet war das Thema für mich, als mir klar wurde, dass Winnetou in Teil III sterben musste. Alles konnte ich diesem Karl May verzeihen, aber das nicht! Bis heute.
Ja, irgendwie ist jeder in Berührung mit May gekommen, das erbte sich so fort. Bin gespannt, ob das so bleibt.
Ich habe ihn so geliebt, dass ich ihn (verboten) heimlich unter der Bettdecke las, was die Lektüre natürlich noch spannender machte. Besonders die in Europa spielenden Bände hatten es mir damals angetan. Danke für dieses „Souvenier“.
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