Die Schatzsucher von Venedig

Ruth Landshoff-Yorck, Die Schatzsucher von Venedig, posthum 2004, Neuauflage 2013, 2. Aufl. 2019, 137 Seiten plus 37 Seiten Nachwort und Anmerkungen.

Ruth Landshoff-Yorck, Die Schatzsucher von Venedig | Foto: nw2020

Ruth Landshoff-Yorck, Die Schatzsucher von Venedig | Foto: nw2020

Ruth Landshoff-Yorck

Das Nachwort stellt die Autorin (1904-1966) als „It-Girl der Zwanziger Jahre“ und Prototyp der modernen Frau jener Zeit vor, die durch Zeitschriften- und Feuilletonbeiträge bekannt wird, Auto fährt, Romane schreibt und deren Karriere durch die Machtergreifung der Nationalsozialisten unterbrochen wird. Landshoff-Yorck erreicht über mehrere Stationen die USA, wo sie bis zu ihrem Tode lebt. Geboren wurde sie als Ruth Levy im damals noch selbständigen Schöneberg; sie war die Nichte des Verlegers Samuel Fischer.

Sie besuchte die Schauspielschule und spielte im Film »Nosferatu« mit, verkehrte in Künstlerkreisen und veröffentlichte ihren ersten Roman im Jahre 1930; der zweite wurde bereits nicht mehr veröffentlicht.

Die Schatzsucher von Venedig

Der Roman steht in der Tradition jener Faszination, den die Lagunenstadt seit der Jahrhundertwende auf Reisende aus ganz Europa und aus den USA ausübte. Arne Karsten hat diesem Phänomen in seinem Buch »Der Untergang der Welt von gestern« ein kundiges Kapitel gewidmet; Thomas Mann ihr mit »Der Tod in Venedig« ein Denkmal errichtet.

Im Zentrum des Romans von Landshoff-Yorck stehen Madelin und Jack Zimmermann, die Kinder eines amerikanischen Industriellen. Ihr Reichtum verschafft ihnen Zugang zu einer gebeutelten Welt, in der sich Aristokratie, Demi-monde und Aufsteiger mischen. Abendgesellschaften sind Panoptiken und Gefahrenzonen zugleich. Gier, Begierden, Skrupellosigkeit und Ichsucht treten kaum verhüllt zu Tage.

Eine lose gefügte Geschichte um eine Brosche, die zum Objekt einer Schatzsuche wird, gibt Madelin Gelegenheit zum Nachdenken. Als sie und ihre Bruder erfahren, daß ihr Vater bankrott gegangen ist, müssen sie sich neu orientieren. Mit dem Optimismus der Jugend machen sie Pläne, um ohne Geld und auch mit Arbeit weiterzuleben.

Mein Eindruck

Ich halte den Text für stilistisch uneinheitlich, es gibt reportagenhafte, flotte Abschnitte, manches erinnert auch an den Baedeker. Ein paar mitunter gedrechselt wirkende innere Monologe und irgendwie fragmentarische Dialoge sowie eine rasche Abfolge kurzer Szenen geben dem Roman etwas Collagenhaftes.

Und es war das erste Mal in seinem Leben, daß Jack Zimmermann kurz vor dem Frühstück mit einer Herzogin tanzte. (S. 129)

Der Sache nach erzählt Landshoff-Yorck ein Märchen, das um die Motive des Schatzes, der Liebe und des juvenilen Aufbruchs (wunderbar poetisch beschrieben auf S. 134!) kreist. Sie verquickt dies mit Überlegungen zu den Rechten der Jugend und der Eigenständigkeit der Frau sowie zu Systemzwängen. Sprachlich wird das für ihr Lesepublikum der späten zwanziger, frühen dreißiger Jahre anschlußfähig gestaltet.

Offen muß bleiben, wie sich die Autorin bei einem anderen Verlauf der deutschen Geschichte weiterentwickelt haben würde und welchen Stellenwert der Roman dann in ihrem Œuvre einnähme. So ist er für mich mehr Zeitdokument als literarisches Monument.

Der Berliner AvivA-Verlag hat sich die Wiederentdeckung der Autorin zur Aufgabe gemacht und präsentiert ihr Werk mit liebevoll edierten Taschenbüchern; derzeit sind fünf weitere Bücher erhältlich.

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3 Antworten zu Die Schatzsucher von Venedig

  1. M.Rath schreibt:

    Das Todesjahr ist nicht 1944.

  2. Pingback: Uneindeutigkeit von Lebensstilen | notizhefte

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