Knut Bergbauer / Sabine Fröhlich / Stefanie Schüler-Springorum, Hans Litten – Anwalt gegen Hitler. Eine Biographie, Göttingen: Wallstein, 2022, 383 Seiten.

Hans Litten wurde im Jahre 1903 geboren, gehört damit zur Generation meines Großvaters väterlicherseits (1901) und Klaus Manns (1906): Kindheit im Kaiserreich, frühe Jugend während des Ersten Weltkriegs, Adoleszenz in den ersten Jahren der Weimarer Republik. Alle drei kamen mit der Wandervogel-Bewegung in Berührung, jener wirkmächtigen Jugendbewegung am Anfang des 20. Jahrhunderts.
Hans Litten jedoch ging dauerhaft auf in der Jugendbewegung, nahm wohl auch gern die Pose und den Habitus des Rebellen an. Die akademische, nationalkonservative Herkunft lud ihn zum Kampf gegen das Alte und zum glühenden Einsatz für das Neue, für das Recht der Jugend ein. Im vorliegenden Buch nimmt dieser Teil seiner Biographie breiten Raum ein und wird auch zur Modellierung und Erklärung seiner Persönlichkeit genutzt. Litten las viel und interessierte sich für Kunst; ebenso gern wie er stritt, belehrte er andere, um sie hinzuführen zur echten Anschauung und zur rechten Erkenntnis.
Hans Litten war aber auch Jurist. Er praktizierte als Strafverteidiger, lange Zeit unangepaßt im Erscheinungsbild und kämpferisch gegen Klassenjustiz und politisch einseitige Richter. Sensation machte er vor allem dadurch, daß er Adolf Hitler in den Zeugenstand laden ließ und dort im Rahmen eines Prozesses wegen eines Überfalls auf eine Arbeiterfeier durch SA-Leute, bei der mehrere Arbeiter teils lebensgefährlich verletzt wurden, dem sogenannten Edenpalastprozeß, am 8. Mai (!) 1931befragte.
Der „Parteiangestellte Adolf Hitler“ sollte bestätigen, daß den SA-Leuten das Tragen von Waffen verboten war. Er behauptete, die Partei stehe „granitfest“ auf dem Boden der Legalität, doch Litten deckte Widersprüche auf und setzte Hitler in der Vernehmung erkennbar zu. Dies sollten ihm der Vorsitzende der NSDAP und spätere Reichskanzler heimzahlen. Die NS-Presse schoß sich sofort auf Litten ein. 1933 kam Litten unmittelbar nach dem Reichstagsbrand in Schutzhaft und geriet so in die Gewalt der SA, gegen deren Aktivitäten er oft vor Gericht gezogen war bzw. deren Opfer er als Nebenkläger in Strafprozessen aufgrund der Straßenkämpfe vertrat.
Mißhandelt und vielfach gedemütigt, aber lange ungebrochen war Litten ein prominenter politischer Häftling des Dritten Reiches.
Das Buch erzählt diese und andere Geschichten, fügt sie zusammen zu einem Lebensbericht. Besonderes Augenmerk wird gelegt auf die Mutter Irmgard, die sich bis zum Schluß für seine Freilassung einsetzte und ihren verfemten Sohn unerschrocken unterstützte.
Das Buch hat ein wichtiges Thema und präsentiert einen Juristen, der an der Herrschaft des Rechts festhielt, als diese längst schon in großer Gefahr war. Die Autoren zeigen ihn dabei aber als das, was er war: ein Außenseiter.
Vom Stil her hat mich das Buch nicht überzeugt, auf mich wirkte es oftmals kleinteilig und gelegentlich auch reißerisch, insbesondere die aktuellen Hinzufügungen am Schluß empfand ich als bloße Aufzählung.
Da habe ich mir etwas mehr erhofft, besten Dank für die ehrliche Wertung;)
Bis dahin
Kornelia