Der Herbst ist Bücher- und Lesezeit; Preise, Messen, Festivals.
Am Donnerstag, den 17. September bietet die Literaturseite im FAZ-Feuilleton drei längere Texte und ein recht großes Foto, das den „britische[n] Autor Martin Amis auf dem Balkon seines New Yorker Hauses“ zeigt.
Seinem Roman »Interessengebiet« ist die Besprechung Hubert Spiegels gewidmet. Das Bild beansprucht soviel Raum wie der Text; die Frage ist, warum?
In dem Roman geht es um eine Liebesgeschichte, allerdings eine des Lagerkommandanten von Auschwitz, der überdies zwischen der Vernichtung von Juden und ausreichenden Zwangsarbeiterzahlen für die nahegelegenen Buna-Werke einen Ausgleich finden muß. Der Roman ist also nicht auf einhellige Begeisterung gestoßen, wie Spiegel referiert. Er stellt die erwartbare Verbindung zu Littell und den Wohlgesinnten her, erinnert an Primo Levi, der persönlich die doppelte Hölle von Auschwitz und Buna-Werken mitmachte und bleibt enttäuscht zurück.
Thomas Meissner bespricht »Als Deutschland noch nicht Deutschland war. Eine Reise in die Goethezeit« von Bruno Preisendörfer. Offenbar handelt es sich um eine Zusammenstellung aussagekräftiger Zitate aus Briefen und anderen Quellen aus der Zeit, weniger um eine historisch-sozialwissenschaftliche Analyse. Eine gewisse Eindrücklichkeit scheint der Lektüre freilich mitgegeben, denn Meissner ist am Ende froh, in die Gegenwart zurückzukehren.
Andreas Kilb widmet die gesamte rechte Spalte dem Berliner Literaturfestival und moniert, daß es kaum um Literatur, dagegen viel um die Flüchtlingskrise und die Haltung von Autoren zu dieser gegangen sei. Gelegentlich kämen Bücher zu kurz, manche Autoren schrieben lieber Reportagen als Literatur und überhaupt gehe eine Stunde immer recht schnell vorüber. Am Ende großes Lob für Amir Hassan Cheheltan und seinen Roman »Der Kalligraph von Isfahan«.
Interessant ist, daß der Roman von Amis bereits am 1. September von Jürgen Kaube in der FAZ ausführlich besprochen worden war. Warum also nun noch einmal von Hubert Spiegel? FAS ausführlich besprochen worden war [Ich danke für den entsprechenden Hinweis!] Hubert Spiegel schreibt also für den etwas gedrängteren Unter-derWoche-Leser. Und dieser bekommt keinen zusammengekürzten Remix serviert, sondern eine eigenständige Einschätzung. Das Buch wurde insgesamt breit rezensiert, es gibt dazu auch schon Blogbeiträge, etwa im Bücherkaffee. Ablehnend die Einschätzung im Falter.
Der Preisendörfer ist schon länger auf dem Markt und in Feuilleton und Blogosphäre angekommen. Die FAZ zockelt hier wohl etwas hinterher.
Fazit: Auch diese Literaturseite ist kein Ausweis turmhoher Überlegenheit des professionellen Feuilletons über naseweise Blogger.
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