Bea Lundts Buch „Europas Aufbruch in die Neuzeit. Eine Kultur- und Mentalitätsgeschichte“ erschien 2009 und bildet den Abschluß der dreibändigen Reihe „Kultur und Mentalität“, die den Anspruch erhebt, Kulturgeschichte als Mentalitätsgeschichte zu verstehen und einem interessierten Laienpublikum näherzubringen.
Die Autorin entwickelt Fragestellungen, die Einstellungen untersuchen und somit danach fragen, wie das Verhältnis des einzelnen Menschen zur Gemeinschaft und zur Umwelt, aber auch zu sich selbst und zu einem transzendenten Beziehungsrahmen begriffen wird. Dies wird an die Darstellung genereller politischer und gesellschaftlicher Verhältnisse angelehnt, wobei das für die Mentalitätsbildung hoch relevante Phänomen des Krieges überraschenderweise ausgeblendet wird. In knapper, gleichwohl gut lesbarer Darstellung wird eine solide Quintessenz ausgewählter Fragen geboten. Diese und viele weitere wurden in der von 2005 bis 2012 erschienenen Enzyklopädie der Neuzeit detailliert abgehandelt, an deren Konzept sich Lundt orientiert und deren ihr bereits vorliegende Beiträge sie häufig als Referenz nimmt. Daß ihr Buch weder enzyklopädisch angelegt ist noch sich primär an ein Fachpublikum richtet, sei noch einmal erwähnt, aber gleichzeitig möchte ich unterstreichen, daß dies dem Buch keinen Abbruch tut.
Lundts Buch ist – erst recht in Kombination mit den beiden Bänden zur Antike und zum Mittelalter – eine gute Einführung in die Grundlagen unserer heutigen Welt. Trotz der Beschleunigung und Umbrüche, die die Moderne den Menschen gebracht hat, ist die Vormoderne, der der Band gewidmet ist, uns bis heute nah. 19. und 20. Jahrhundert, die lange und oft unhinterfragt als Schluß- und Höhepunkt der Entwicklung galten und in vielerlei Hinsicht maßstabgebend wirkten, erscheinen mit der Fixierung auf den Nationalstaat und den damit verbundenen Konsequenzen eher als Irrweg, wahrscheinlich als Episode der Menschheitsgeschichte. Lundt bringt uns die behandelte Epoche einfühlsam näher, sie verweist häufig auf neue Forschungsergebnisse, etwa zum Lehenswesen (S. 28f.) oder zur Familie (S. 94ff.) und zum Frauenbild (S. 65f., 111f.), die alte, zählebige Vorstellungen korrigieren.
Meiner Meinung nach ein lesenswertes Buch, das auf 150 sinnvoll illustrierten Seiten (plus 10 Seiten Apparat) das Wissen bietet, das als Hintergrund und Anknüpfungspunkt etwa für ein Studium der Rechts- und Politikwissenschaft vorhanden sein sollte. Dann ließen sich Narrative erkennen und einordnen und weiterführende Texte sinnvoll verarbeiten.
Herzlichen Dank für den Hinweis. Die Lektüre passt perfekt zu meinem kommenden Seminar: Einführung in die frühe Neuzeit.
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