The Personal Librarian

Marie Benedict / Victoria Christopher Murray, The Personal Librarian, New York: Berkley 2021, 341 Seiten.

The Personal Librarian | Foto: nw2023

Das Buch erzählt die Lebensgeschichte von Belle da Costa Greene, der persönlichen Bibliothekarin von J. P. Morgan, dem New Yorker Multimillionär, der sie zum Auf- und Ausbau seiner Privatbibliothek einstellte.

Wir werden Zeuge der Entwicklung eines Arbeitsverhältnisses und der persönlichen Beziehung zwischen den beiden Protagonisten. Außerdem erfahren wir die Familiengeschichte von Belle und lernen all die Menschen kennen, denen sie auf professioneller und/oder privater Basis im Laufe ihrer Tätigkeit für die Bibliothek begegnet. 

Das Ganze wächst in ein gesellschaftsgeschichtliches und zeitgeschichtliches Panorama hinein. Erzählt wird die Geschichte der schwarzen Bürgerrechtsbewegung nach dem amerikanischen Bürgerkrieg und das erneute Aufflammen des Rassismus gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Dies ist deshalb wichtig, weil Belle, ihre Mutter und die Geschwister als Weiße leben, während der Vater, der an seinen Idealen aus der Bürgerrechtsbewegung festhält, sich entschieden hat, als Schwarzer zu leben. Obwohl Belle als „white passing“ gelesen wird, lebt sie unter der beständigen Angst, enttarnt zu werden.

Sometimes, when I look at Teddy, with her light hair, alabaster skin, and pale eyes, I wonder if she knows about the violent origins of our white skin.

S. 65

Ein Strang der Erzählung ist der Welt des frühen englischsprachigen Buchdrucks gewidmet, der das besondere Interesse von J.P. Morgan und „seiner“ Bibliothekarin gilt. Eng damit verknüpft ist die Szene der Kunsthändler und Auktionshäuser, in der sich die Protagonisten mit wachsender Sicherheit bewegt, obwohl – oder gerade weil – sie als Frau dort besonders auffällt. Dabei macht sie in London eine neue Erfahrung:

But I could not have guessed London’s greatest gift. Here, as I walk the streets, I don’t feel the same assessment of my color that I routinely experience, and constantly anticipate, in America. Perhaps London’s citizens don’t have the same need to categorize us by race as they do in America.

S. 121

Wichtig ist aber auch die Familiengeschichte der Greenes, die von einer Phase der Liberalisierung nach dem amerikanischen Bürgerkrieg profitiert hatten, aber dann besonders unter der zunehmenden John-Crow-Politik litten. Dies führte auch zur Trennung der Eltern, weil die Mutter in den 1890er Jahren auf Sicherheit und bessere Lebenschancen statt auf den gefährlichen Kampf in der Bürgerrechtsbewegung setzte, wie es der Vater weiterhin tat.

Mit dem Tycoon des „Gilded Age“ muß Belle da Costa Greene, die naturgemäß aus vergleichsweise ärmlichen Verhältnissen kommt, beständig Kämpfe ausfechten, ohne dabei ihre Position aufs Spiel zu setzen. Wer hat das Sagen – Morgan oder „seine“ Bibliothekarin? Soll auch zeitgenössische Kunst angekauft werden? Wie selbständig darf sie agieren? Wird es eine Affäre zwischen den beiden geben?

Auch vor persönlichen Schicksalsschlägen bleibt Belle nicht verschont, als sie den Mann ihres Lebens kennenlernt (mehr wird hierzu nicht verraten). Aber davon macht sie sich schlußendlich frei, denn es gilt, ein Lebenswerk zu errichten und zu bewahren, geschaffen von einer – in ihren eigenen Worten – farbigen Frau.

Obwohl ich bei fiktionalisierten Lebensberichten grundsätzlich eine gewisse Skepsis habe, fand ich dieses Buch sehr gelungen. Vor allem ist den Autorinnen hoch anzurechnen, daß sie offenlegen, was sie aus dramaturgischen Gründen geändert und was sie hinzuerfunden haben.

Eine klare Leseempfehlung!

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