Dror Mishani, Drei, 2018, dt. 2019 (aus dem Hebräischen von Markus Lemke), 330 Seiten. Ein spannender, stark erzählter Roman.

Dror Mishani, Drei | Foto nw2019
Erster Eindruck
„Frappierend heutig, gerade im Vergleich mit Kronauer, deren Roman »Das Taschentuch« trotz der in die Erzählung eingebundenen Zeitmarken zeit-los und gleichzeitig altbacken klingt.“
So lautet mein erstes Notat, nachdem ich den Anfang dieses Buches, etwa dreißig Seiten, unmittelbar nach dem Abschluß von »Das Taschentuch« las. Das wird jenem Roman nicht wirklich gerecht, zeigt aber den Unterschied zwischen den beiden Büchern gut auf.
Dieser Eindruck bleibt, ebenso wie starke Wirkung. Figuren, die sämtlich meiner eigenen Lebensrealität fern stehen, fesseln mich gleichwohl mit ihrer Geschichte.
Die Geschichte
Ein Mann, drei Frauen, eine Handvoll Nebenfiguren. Viel mehr kann man eigentlich nicht verraten, außer dem Umstand, daß der Anfang nach Heiratsschwindlergeschichte klingt, aber überraschende Wendungen nimmt.
Für mich ist sie in einem Nebensatz auf Seite 204 gekippt, also recht spät. Aber darum geht es ja.
Der Stil
Mishani schreibt sehr souverän, indem er Zeitebenen und Erzählperspektiven sozusagen gleichzeitig trennt und vermischt. Drei Abschnitte folgen linear aufeinander, werden aber zunehmend miteinander verknüpft. Multiperspektivität ist nicht Stilmittel von Überkomplexität, sondern ein Analysewerkzeug, um herauszufinden, was geschehen ist. Der Autor opfert nicht Lesbarkeit künstlerischem Wollen, sondern nutzt handwerkliches Können, um eine packende Geschichte zu erzählen.
Fazit
Der Roman gibt erhellende Einblicke in die Gefühlswelt einsamer – nicht notwendig alleinstehender – Menschen und hinterfragt Erwartungen an Alleinlebende. Er richtet Fragen an die moderne Gesellschaft im allgemeinen und an die israelische Gesellschaft im besonderen.
Am Ende bleibt die Frage, ob Vertrauen überhaupt noch möglich ist. Und das Staunen darüber, wovon man sich verführen läßt.
Klare Leseempfehlung!