Roberto Cotroneo, Die verlorene Partitur, 1995 (dt. 1997, aus dem Italienischen von Burkhart Kroeber). Ein Roman, in dem es um die alternative Handschrift einer Ballade von Chopin geht.

Roberto Cotroneo, Die verlorene Partitur | Foto: nw2019
Rückblick
Ich erinnere mich, daß der Roman, den ich 1998 als Geburtstagsgeschenk erhielt, damals im Zuge einer an Umberto Eco anknüpfenden Italien-Renaissance in den Buchläden präsentiert wurde. Meiner Mutter wurde er „bei Vaternahm“ mit dem Hinweis überreicht, das sei bestimmt etwas für mich. Außerdem geht es um Chopin, auch das weiß ich noch. Ansonsten – nichts. Das Wiederlesen läuft mithin auf eine Neuentdeckung heraus.
Der Autor
Im Klappentext von 1998 wird der 1961 geborene Cotroneo als einer der hoffnungsvollsten jungen Autoren Italiens angepriesen. Er war damals bereits seit fünfzehn Jahren als Literaturkritiker tätig und hatte mit dem Roman „Die verlorene Partitur“ sein zweites Buch vorgelegt, nach einem Essayband, in dem er seinem Sohn das Lesen nahelegt. Er hat Philosophie studiert und eine Klavierausbildung absolviert.
Inzwischen hat er weitere Essaybände und Romane vorgelegt.
Inhalt des Buches
Ein alternder Konzertpianist – Vorbild soll Arturo Benedetti Michelangeli sein – erzählt, wie er vor längerer Zeit in den Besitz einer zuvor unbekannten Variante einer Chopin-Ballade gekommen ist.
Sondern ich muß erzählen, wenn es mir denn gelingt, wie die Entdeckung eines verschollen geglaubten Autographs mein Leben verändert hat. (S. 31)
Ein paar Spionage- und Thrillerelemente würzen eine doch irgendwie fade Geschichte mit NS- und Sowjeteinsprengseln, die eingebettet ist in musiktheoretische und pianistisch-praktische Erwägungen und durchzogen von schier endlosen Selbstbespiegelungen, die sich unter anderem auf das Altwerden beziehen.
Am Ende der vergangenen Erzählperiode begegnet er einer jungen Frau wieder, deren Existenz schon beinahe etwas von einem Phantom angenommen hatte. In der Erzähltest als alter Mann werden noch einmal lange Reflexionen ausgebreitet.
Sprache und Stil
Der Sprachduktus kam mir – insbesondere am Anfang des Buches – „italienisch“ vor: klassisch konstruierte, komplexe Sätze mit Struktur und Schönheit. Leider fehlt für meine Begriffe der Humor, den man etwa bei Umberto Eco finden kann.
Die Hauptperson und Icherzähler ist eine extrem ichbezogene Persönlichkeit und wirkte auf mich eher unsympathisch.
Es gibt längere kulturpessimistische Passagen, die sich mitunter zu echten Tiraden auswachsen.
Mein Fazit
Das Buch ist ein langer innerer Monolog, der um den Ich-Erzähler, richtiger, in dem der Ich-Erzähler um sich kreist. Alles – die Musik, Instrumente, Bücher, Paris, Frauen, ja selbst Chopin – alles existiert nur in Beziehung zu ihm, so wie er es sieht, fühlt, ausspricht, ignoriert. In gewisser Weise unerträglich aus der Zeit gefallen, aber auch ohne den Reiz des Besonderen. Und das schreibe ich, obwohl es das Buch eines höchst belesenen Autors ist, anspielungsreich und elegant, obwohl es um Musik geht und obwohl es überwiegend in Paris spielt.
Ja! Denn leider läßt mich das Buch müde, erschöpft und ohne echten Zugewinn zurück. Es ist, als schaue man einem Pfau beim Radschlagen zu.