Denton Welch, Freuden der Jugend, 1945, dt. 1982 (aus dem Englischen von Carl Weissner), Neuausgabe 2016, 176 Seiten.

Das Buch wird als Wiederentdeckung eines britischen Schriftstellers vorgestellt. Tatsächlich ist der in jungen Jahren verstorbene Autor (1915-1948) mit einem verständlicherweise schmalen Oeuvre bereits in den 80er und 90er Jahren hierzulande verlegt worden, ohne sich jedoch dauerhaft in den Regalen der Buchhandlungen halten zu können.
Es handelt sich bei „Freuden der Jugend“ um einen kurzen Roman, in dem wir einen Fünfzehnjährigen während der letzten Tage seiner Sommerferien begleiten, bevor er zurück ins Internat muß. Zusammen mit dem Vater und seinen zwei Brüdern – die Mutter ist seit mehreren Jahren verstorben – verbringt er die Zeit in einem Hotel an der Küste.
Die kleinen Erlebnisse zeigen einen phantasievollen Knaben auf dem Höhepunkt der Pubertät und in höchster Angst vor der Rückkehr ins Internat. Eine Reihe von Situationen und Mißgeschicken ist locker miteinander verknüpft und lassen den einen oder anderen Blick in eine verängstigte Knabenseele tun, dem in einer konventionell und unter Verzicht auf Gefühle lebenden Gesellschaft alles zur Not wird. Die Entdeckung der eigenen Sexualität, regelmäßiges Masturbieren, Begehren, Scham – Orvil changiert zwischen Alptraum und Unbedarftheit.
Die Handlung versammelt also eine Abfolge von objektiv meist folgenlos bleibenden Nichtigkeiten, die von Orvil selbst höchst unterschiedlich gewichtet werden und deren psychische Nachwirkungen unerwähnt bleiben und angesichts der Kürze des Erzählzeitraums auch bleiben müssen.
Sprachlich hingegen ist das Buch beeindruckend. Der Autor sieht jeden Gegenstand, jede Empfindung, jede Regung unmittelbar an und vermag alle Details intensiv und plastisch zu schildern. Die Sätze vibrieren vor Eindringlichkeit und die Passagen haben einen durchkomponierten, dabei aber völlig natürlich und selbstverständlich wirkenden Aufbau.
Als er aus dem dichten Gebüsch herauskam, gelangt er auf eine Terrasse mit einem Springbrunnen, dessen Wasser in ein großes rundes Becken fiel. Wunderschöne gelbrote Karpfen schwammen im Becken, und ihre flossen und Schwänze blitzen da und dort im silbern sprudelnden Wasser. Er fragte sich, wie sie das ständige Plätschern des herabstürzenden Wassers aushielten. Ihn selbst machte es nach einer Weile schon ganz taub und benommen, so daß er an den Rand der Terrasse ging und sich an die Balustrade lehnte. Blumen rankten sich zwischen den gedrungenen Pfeilen der Balustrade hindurch, und ein Meer von Blüten ergoß sich über die grob behauenen Steine nach unten. Der Anblick erregte ihn und machte ihn nervös und ungeduldig. Er streckte seine Augen an und sah über das weite Tal, in dem sich der Fluss durch massige dichtbelaubte Bäume wand.
S. 38f.
Britische Schriftsteller wie Edith Sitwell, William S. Burroughs, John Lehmann und Stephen Spender schätzten Welch und seinen Stil. Mir persönlich gefiel die Lektüre gut, ohne mich jedoch nachhaltig zu begeistern.