Eva Weissweiler, Villa Verde oder das Hotel in San Remo. Das italienische Exil der Familie Benjamin, 2022, 286 Seiten.
Thomas Blubacher, Weimar unter Palmen – Pacific Palisaden. Die Erfindung Hollywoods und das Erbe des Exils, 2022, 272 Seiten.

Europa im Zeitalter des Faschismus: Unsicherheit und Gefahr dringt in das Leben vieler Menschen ein, ob sie den Regimen in Deutschland, Italien und Spanien nun kritisch gegenüberstehen oder nicht, ob sie Kunst machen, die den Vorstellungen der Faschisten nicht entspricht, oder ob sie einfach Juden sind beziehungsweise in den Augen insbesondere der deutschen Nationalsozialisten als jüdisch gelten – sie alle erfahren Ausgrenzung, Diskriminierung und Verfolgung.
Mit ihrem Buch beleuchtet Eva Weissweiler einen Ausschnitt dieser großen und bedrückenden Gesamtsituation, die sich zwischen 1933 und 1938 immer bedrohlicher entwickelt. Dora Sophie Kellner (1890-…) war von 1917 bis 1930 mit dem Autor Walter Benjamin verheiratet gewesen. Sie hatte in der Weimarer Republik erfolgreich als Journalistin und Übersetzerin gearbeitet und verließ das Land kurz nach der Machtergreifung. Sie erwarb ein Hotel in San Remo, das sie zwischen 1934 und 1940 führte, und in dem während dieser Zeit Künstler und Intellektuelle teil sorgenvolle, aber auch unbeschwerte Tage verbrachten und bei günstigen Preisen die Vorzüge der italienischen Riviera genossen.
Die Autorin zeichnet das Leben von Dora Kellner, ihrem Ex-Mann Walter Benjamin und dem gemeinsamen Sohn Stefan während dieser Zeit nach, geht aber auch auf andere Mitglieder der Familie sowie mehr oder weniger bekannte Gäste des „Villa Verde“ genannten Hotels ebenso ein wie auf dessen Geschichte.
Das detailreiche Buch ist flüssig geschrieben, stützt sich auf zahlreiche Quellen und macht die damalige Zeit mit ihren Sorgen und Nöten anschaulich, bleibt aber natürlich auf Distanz zu den Vorgängen im Reich und später, während des Krieges, zu den besetzten Gebieten. Ahnungslosigkeit steht so neben den allerschlimmsten Befürchtungen und einem gewissen Aufatmen der noch einmal – oder jedenfalls vorerst – Davongekommenen.
Das Politische steht neben dem Persönlichen, Klatsch neben Naturbetrachtung. Dadurch ist das Buch sehr zugänglich, die Personenzeichnung sehr menschlich. Weissweiler bietet keine akademische Analyse der Emigration, sondern eine gelungene Veranschaulichung von Lebensbedingungen einer im Vergleich mit anderen Betroffenen privilegierten Gruppe, die aber wie alle anderen auch, wahllos von Schicksalsschlägen getroffen wird.
Das andere Buch hingegen setzt später ein und legt den Fokus auf das amerikanische Exil, konkreter im kalifornischen Pacific Palisades. Auch dorthin schafft es nur ein kleiner Teil der Emigranten, nach verschiedenen Stationen in Europa und den USA. Allerdings gab es in der gesamten ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine Zuwanderung jüdischer Menschen aus Europa in den Großraum Los Angeles, so daß die durch die Nationalsozialisten Vertriebenen Anlaufpunkte hatten.
Thomas Blubacher steigt gut ein, so daß ich spontan notiere: „Wohltuend anders als das unsägliche Buch von Platthaus!“, als er beschreibt, wie er ankommt und Gespräche führt. Dann geht er zurück und führt aus, wie Pacific Palisades gegründet wird und sich im Lauf der Zeit – auch durch die Einwanderung aus Deutschland in den 1920er Jahren – entwickelt, bis nach der Machtergreifung Hitlers eine neue Welle der Einwanderung einsetzt. Und so wird das „Weimar unter Palmen“ bereits während der Weimarer Republik mit Künstlern aus Deutschland und Österreich angereichert, der Stummfilm bietet ihnen internationale Karrieremöglichkeiten, die der Tonfilm dann für viele brutal unterbricht. Während die Einwanderer der ersten Wellen überwiegend freiwillig in die USA gehen, um im sich etablierenden Hollywood Karriere zu machen, sind die Künstler des Exils Flüchtlinge, ist Amerika nicht der Sehnsuchtsort.
Leider klingt das nur an, denn Blubacher verfällt in einen ermüdenden Berichtsstil, für den zwei Beispiele ausreichen mögen:
Die Tochs, bei denen auch Lillys Mutter, Ernsts Schwester, seine Cousine und deren Tochter lebten, entschlossen sich, ein geräumigeres Haus in der Franklin Street 811 in Santa Monica errichten zu lassen, finanziert durch ein Darlehen der Federal Housing Authority, das 82 Prozent der Gesamtkosten deckte. (S. 115)
Der amerikanische Schriftsteller David S. Malcomson hatte sich 1928 in Pacific Palisades angesiedelt, erst in der Mount Holyoke Avenue 533, dann in der Rüstig Road 544, und sich 1936 von Richard Neutra ein Gästehaus in der Mesa Road 491 errichten lassen (S. 124)
Das Buch ist eine Fleißarbeit, die viel beschreibt, mit guten Zitaten glänzen kann, aber auch unendlich viel Talmi, vulgo Klatschgeschichten, aufwartet. Pointierte Zusammenhangsdarstellungen werden nur gelegentlich angedeutet, Analysen finden sich kaum.
Zwei Bücher zum wichtigen Thema Exil, von denen ich nur eines empfehlen kann.
